Gräffs Ziele zu verwirklichen gelang bald darauf Max Doerner (1870-1939). Selbst Maler, Verfasser des einflussreichen Buches Malmaterial und seine Verwendung im Bilde und damals Professor für Maltechnik an der Akademie der Bildende Künste entwickelte er schon 1934 unter Rückgriff auf Denkschriften von Gräff und Eibner Pläne für ein Reichsinstitut für Maltechnik. Gegründet wurde es 1937 mit dem Zusatz Doerner-Institut als Staatliche Prüf- und Forschungsanstalt für Farbentechnik mit den Abteilungen Physikalische Chemie, Maltechnik und Kunsthistorik. Doerner übernahm auch die Leitung des neuen Instituts, das in der Leopoldstraße 3 neben der Akademie der Bildenden Künste untergebracht war. Als Reichsinstitut war es unmittelbar der Reichskammer der bildenden Künste unterstellt.
Die frühe Institutsgeschichte ist geprägt vom Nationalsozialismus, so fand die Eröffnung am 19. Juli 1937 gleichtägig mit der der Propagandaausstellung „Entartete Kunst“ statt. In der Nachkriegszeit wurden kaum Anstrengungen unternommen, diese Geschichte aufzuarbeiten. Erst der wichtige Fund aller Akten des Doerner-Instituts aus der Zeit des „Dritten Reichs“ im Jahr 2005 sowie weiterer Dokumente aus jüngst übernommenen Nachlässen ermöglichten und veranlassten die Rekonstruktion der Historie des Instituts und der zentralen Rolle seines Gründungsvaters. In seinem 2016 erschienenen Buch „Der Kampf um die Kunst. Max Doerner und sein Reichsinstitut für Maltechnik“ (Schriftenreihe der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen, böhlau Verlag) vermittelt Andreas Burmester einen minutiös recherchierten Einblick in den Mikrokosmos des Instituts, das der Reichskammer der bildenden Künste, der Reichskulturkammer und somit dem Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda unterstellt war. Die Publikation umfasst jedoch eine weit größere Zeitspanne von 1910 bis in die Mitte der 50er Jahre. Der Bogen reicht somit vom Ende des Kaiserreichs über den Ersten Weltkrieg, die Weimarer Republik, die Anfänge des „Dritten Reichs“, den Zweiten Weltkrieg, die Zerstörung Münchens, die Jahre der Entnazifizierung und den beginnenden Wiederaufbau bis hin zu einem Leben in einem demokratischen Staat.
Zentrale Figur der ersten Jahre ist Max Doerner. Burmester beschreibt ihn als begabten Maler des bayerischen Voralpenlandes, als eine äußerst bescheidene, einsame, von diversen Krankheiten gezeichnete „Kämpfernatur“. Zugleich aber auch als charismatischen Lehrer einer ganzen Generation von Künstler:innen, von seinen Schüler:innen grenzenlos bewundert, von seinen Gegnern gehasst. In seinem Institut folgen auf eine komplexe Gründungsphase Jahre fruchtbarer Tätigkeit an einer Vielzahl von Themen. Darunter vor allem eine Künstlerwerkstoffverordnung: Nach den „Verfallserscheinungen der Systemzeit“ soll der deutschen Künstlerschaft endlich das Rüstzeug in die Hand gelegt werden, das die maltechnischen Fehler des 19. Jahrhunderts vermeidet. Weitere Themen sind die Entlarvung von Fälschungen – darunter Guardi, Spitzweg und ein angeblicher Raphael für Hitler – sowie prominente Konservierungskampagnen in Naumburg und auf der Wartburg.
Adolf Ziegler, in den Augen führender NS-Größen der Maler „unserer Weltanschauung“, von Hitler entdeckt und gefördert, verantwortet in der zweiten Hälfte der 30er Jahre die Durchführung der Aktion „Entartete Kunst“. Doerners Tod im Jahre 1939 gab ihm die Gelegenheit, die Leitung des Doerner-Instituts an sich zu ziehen. Dort entledigt er sich umgehend ‚unbequemer‘ Mitarbeiter:innen, beraubt so das Institut großer Begabungen und führt die Einrichtung bis zu seiner Inhaftierung im Konzentrationslager Dachau im Jahr 1943 in eine dunkle Zukunft: „Kriegswichtige“ Arbeiten für die Künstlerwerkstoffverordnung, die Suche nach Ersatzstoffen in einer Kriegswirtschaft, ein Andienen an das „Ahnenerbe“ – einer Forschungseinrichtung der SS –, kunsttechnologische Forschung an „Bergungsgut“ des „Einsatzstabes Reichsleiter Rosenberg“ und Pläne für einen Restaurierungskursus für kriegsversehrte Künstler:innen sind die bis zum Kriegsende bestimmenden Wegmarken. Die Erforschung der Maltechnik und ihre Beherrschung als Zeichen künstlerischer Qualität ließ sich dabei nur allzu leicht für die Propaganda der NS-Ideologen instrumentalisieren. Hatte schon Max Doerner eine Kunst ohne Maltechnik bekämpft, missbrauchte Adolf Ziegler sie zur Verunglimpfung zeitgenössischer Künstler:innen als „Nichtskönner“.